Denkmal Gedenkstein Friedensaue
DENKMAL AUF DER ZERNSDORFER FRIEDENSAUE
Der Gedenkstein zur Erinnerung an die Ereignisse des 23. März 1920
auf der Zernsdorfer Friedensaue (Dorfaue)
Im März 1920 war der Erste Weltkrieg seit 1½ Jahren zu Ende; nach der Kriegsniederlage musste Kaiser Wilhelm II. abdanken und ins Exil gehen. Deutschland war seit 1918 Republik.
Der Kapp-Putsch vom 13. März 1920 war ein rechtsgerichteter Putsch, der sich gegen die, von SPD, Deutscher Zentrumspartei und der Deutschen Demokratischen Partei getragene, „Weimarer Republik“ richtete. Dieser Putsch brachte Deutschland an den Rand eines Bürgerkrieges. Aber schon nach fünf Tagen war der Spuk offiziell vorbei.
Wie war es zu diesen Ereignissen des Jahres 1920 gekommen?
Die Regierung unter dem Reichskanzler Gustav Bauer versuchte, die Erfüllung der Bestimmungen des Versailler Vertrages abzuschwächen. Der Vertrag trat am 10. Januar 1920 in Kraft und beendete formell den Kriegszustand zwischen dem Deutschen Reich und den Kriegsgegnern. Darin stand unter anderem, dass die etwa 250.000 Mann umfassende Reichswehr auf 100.000 verringert werden sollte.
Große Teile des Offizierskorps der Reichswehr und die Angehörigen der paramilitärischen und rechtsorientierten Verbände wollten diese Reduzierung der Reichswehr − und damit ihre Entlassung − nicht hinnehmen.
Am 10. März sprach der kommandierende General des Reichswehrgruppenkommandos I in Berlin, Walter von Lüttwitz, beim Reichspräsidenten Friedrich Ebert vor und forderte ultimativ die Rücknahme des Auflösungsbefehls.
Gleichzeitig trug er verschiedene politische Forderungen wie die sofortige Auflösung der Nationalversammlung, Neuwahlen zum Reichstag und die Ernennung von sog. Fachministern, vor.
Ebert wies im Beisein vom Reichswehrminister Gustav Noske diese Forderungen ab und legte dem General den Rücktritt nahe. Ebert und Noske zeigten sich von den Putschvorbereitungen unbeeindruckt.
Ein Tag später jedoch, am 11. März, wurde von Lüttwitz aber entlassen.
In der Nacht vom 12. auf den 13. März 1920 marschierten meuternde Offiziere unter dem Kommando von Lüttwitz mit ihren Truppen auf Berlin. Das Vorgehen erfolgte jedoch zögerlich, so dass die Regierung Gelegenheit erhielt, zuerst für einen Tag nach Dresden und dann für vier Tage nach Stuttgart zu flüchten.
Die putschenden Offiziere ernannten einen Zivilisten – den ostpreußischen Generallandschaftsdirektor Wolfgang Kapp – zum Reichskanzler, erklärten die geflohene Regierung für abgesetzt und die Nationalversammlung für aufgelöst.
Die Mitglieder der rechtskonservativen Deutschnationalen Volkspartei solidarisierten sich mit den Putschisten und unterstützten zum Teil aktiv den Umsturzversuch. Auch Teile der rechtsliberalen Deutschen Volkspartei sympathisierten mit den Putschisten; deren Parteiführung unter Gustav Stresemann nahm eine abwartende Haltung ein.
Aus dem Presseamt aber lautete es: ”Der Militärputsch ist da! Schneidet dieser Militärdiktatur die Luft ab, kämpft um die Erhaltung der Republik!”
Am 14. März riefen die Gewerkschaften zur Beteiligung am Generalstreik auf – es galt die erste deutsche Demokratie zu verteidigen. Und was Militär, Krieg und dessen Folgen bedeutete, verspürte man zeitnah noch am eigenen Leib.
Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei, die SPD und die KPD schlossen sich diesem Appell an. Und durch alle sozialen Schichten solidarisierten sich die Deutschen und folgten diesem Aufruf. Dieser Generalstreik war der größte in der deutschen Geschichte.
Ausgehend vom Kalksandsteinwerk in Niederlehme über das Wildauer Schwartzkopff-Werk legten in allen großen Betrieben der Region die Beschäftigten die Arbeit nieder.
Auch in Zernsdorf traten die Belegschaften des Schwellenwerkes, der Teppich- und der Dachpappenfabrik in den Ausstand.
Die Putschisten konnten sich nur vier Tage an der Macht halten. Der Widerstand der Berliner Ministerialbürokratie, die mangelnde Unterstützung der Reichswehrführung (Deren Generaloberst Hans von Seeckt: “Truppe schießt nicht auf Truppe. Sonst ist alle Kameradschaft im Offizierskorps hin!”) und die uneinheitliche Zielsetzungen der Putschisten ließen den Putsch am 17. März scheitern, Kapp floh nach Schweden.
Die Putschisten befürchteten, dass die Streikenden die Funksendeanlage auf dem Funkerberg in Königs Wusterhausen besetzen könnten. Diese Sendeanlage wurde von einem hier stationierten Funkerbatallion mit einer hohen Präsenz von Reichswehr-Soldaten ausschließlich militärisch genutzt. Ein Infanteriebatallion wurde zur Verteidigung der Sendeanlage in Marsch gesetzt.
Die zur Verteidigung der Sendeanlage beorderten Soldaten drangen noch nach dem Ende des Putsches in einige Orte vor, in denen zuvor gestreikt worden war.
Es kam auch zu blutigen Auseinandersetzungen. Mit der Folge von mehreren Toten auf der Seite der Arbeiter, so zum Beispiel auch in Schenkendorf. Gefangengenommene Arbeiter wurden zum Funkerberg gebracht, vor ein Standgericht gestellt und einige erschossen.
Zernsdorf am 23. März 1920
23. März 1920 – dem sechsten Tage nach dem Ende des Putsches – kamen die Soldaten bis nach Zernsdorf.
Im Ort, der in jener Zeit von der Industrie und vielen politisch aktiven Arbeitern geprägt war, verhaftete man die Brüder Bienge, Otto Pohl, Paul Renz, die der SPD angehörten, und die Mitglieder der Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD): Johann Michalek, Otto u. Paul Lenz, Gustav Neumann.
Vor allem wollte man des letzteren habhaft werden und die Soldaten wollten in einer Hausdurchsuchung in der damaligen Breitestraße 102 (heute Karl-Marx-Str. 11) belastende Unterlagen finden. Man fand jedoch nichts und Gustav Neumann, der zu dieser Zeit angelte und gewarnt werden konnte, versteckte sich bis Anbruch der Nacht im Schilf und flüchtete dann über Märkisch Buchholz nach Berlin.
Die Verhafteten sollten standrechtlich neben dem Haus Aue Nr. 5 erschossen werden, deshalb stand an dieser Stelle der Gedenkstein ursprünglich. Auf der gegenüberliegenden Seite (vor dem Haus Friedensaue Nr. 8) wurden schussbereite Maschinengewehre postiert.
Das Blutbad konnte nur durch das couragierte Auftreten des Gemeindevorstehers Robert Paulick und des Zernsdorfers Bürgers aus der Seestraße, Dr. Ernst Geyer, verhindert werden.
So entschlossen die Soldaten, die Verhafteten mit auf den Funkerberg zu nehmen und dort neben den Gefangenen aus anderen Orten unter Folter zu verhören und schließlich vor ein Standgericht zu stellen. Einige wurden erschossen – zum Glück war keiner aus Zernsdorf unter ihnen.
Der Granitfindling in der Seeblickstraße - Ecke Parkallee
Der Stein
Ein Granitfindling, der beim Bau der Seeblickstraße um 1930 gefunden wurde, stand dort an der Einmündung der Parkallee.
1951 hatte der Schulleiter der Zernsdorfer Schule, Herbert Remmler, die Idee, diesen Stein als Gedenkstein zur Erinnerung an das Zernsdorfer Ereignis vom 23. März 1920 zu verwenden.
Am 1. Mai 1953 wurde der Stein als Denkmal neben dem Haus Aue Nr. 5, feierlich eingeweiht. Die Aufschrift: „Am 23. März 1920 standen hier Zernsdorfer Arbeiter vor den Maschinengewehren der Reaktion. Darum: Nieder mit den Kriegsbrandstiftern! Es lebe der Frieden!” erinnert noch heute an die Tage des Märzes 1920. Die Erinnerung an die Geschehnisse auf der Zernsdorfer Aue war auch der Anlass die Dorfaue in "Friedensaue" umzubenennen.
Am Gedenkstein fanden danach viele Jahre am 23. März feierliche Appelle statt und Schüler der Zernsdorfer Schule standen Ehrenwache.
1990 wurde nach Änderung der Eigentumsverhältnisse am Haus Friedensaue 5 der Stein mitten auf die Friedensaue umgesetzt.
Seitdem erinnert er hier an dieser Stelle an die politischen Ereignisse jenes „heißen“ Märzes vor fast 100 Jahren in Deutschland und an deren konkreten Auswirkungen hier in Zernsdorf.
Wenn auch die Inschrift nicht sofort die gesamten Ereignisse jenes Tages und dieser Zeit erschließt, so ist das Denkmal Anlass genug dem mutigen Einsatz der Zernsdorfer für den Erhalt der Republik und der Demokratie zu gedenken.
Der Stein ist aber auch ein Denkmal für Zivilcourage, die hier Zernsdorfer Einwohner bewiesen, weil sie nicht wegschauten und für ihre Mitbürger, ohne Achtung des eigenen Lebens, beherzt einstanden und so Schlimmeres verhindern konnten.
Am 23. März 2000 und am 23. März 2010 (Foto rechts & links) trafen sich Zernsdorfer Bürger am Denkmal auf der Friedensaue zu einer Gedenkfeier.
Der Gedenkstein wurde in die Denkmalliste der DDR aufgenommen und nach 1990 in die Denkmalliste des Landes Brandenburg (ID-Nr. 09140310) übernommen.
(Bearbeitungsstand: 1. September 2019)